„Ich sehe mich als Coachin“
Karla Aßmann wird mittelfristig die Geschicke des Büromöbelherstellers Assmann in Melle leiten
Von Magnus Horn
Mittlerweile 84 Jahre ist es her, da hat Heinrich Ahsmann 1939 mit der Übernahme der Dorftischlerei im niedersächsischen Melle den Grundstein für das Unternehmen Assmann Büromöbel gelegt. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Und sie ist eine erfolgreiche: Der Umsatz 2022 lag bei 148 Millionen Euro. 2.500 Möbelstücke werden täglich gefertigt. Mehr als 400 Mitarbeitende hat das Unternehmen. In absehbarer Zukunft wird sich Ur-Enkelin Karla Aßmann darum bemühen, diese Erfolgsgeschichte weiterzuführen. Denn die 27-Jährige ist Mitte Februar dieses Jahres nicht nur als Geschäftsführerin in die Geschäftsleitung mit der Verantwortung für den Vertrieb eingestiegen, sie soll mittelfristig auch die Unternehmensleitung von ihrem Vater Dirk, der seit 1999 geschäftsführender Gesellschafter ist, übernehmen. „Ein genaues Datum gibt es dafür noch nicht“, sagt Karla Aßmann. Dass das Möbelunternehmen im Leben der jungen Geschäftsfrau schon immer eine zentrale Rolle gespielt hat, liegt auf der Hand. „Natürlich haben wir auch zu Hause Assmann-Tische und -Schränke und ich wusste, wo und wie diese Produkte hergestellt werden“, erinnert sich Karla Aßmann. In den Ferien habe sie oft im Unternehmen gejobbt, doch gesprochen wurde über die Arbeit im Hause Aßmann gar nicht. „Das ist auch eine unserer Regeln gewesen“, sagt die 27-Jährige. „Wir haben ein sehr harmonisches Familienleben. Vielleicht ist das auch das Geheimrezept dafür, dass wir uns so gut verstehen – und damit letztlich auch das Geheimrezept für den unternehmerischen Erfolg.“
Zur Familie gehören auch ihre zwei jüngeren Geschwister. Für alle drei war klar: Ob nun irgendwann der Weg ins Familienunternehmen führt – im Falle der 25-jährigen Schwester hat er es bereits, der des 21-jährigen Bruders wird folgen –, ihre Ausbildung haben sie erst einmal woanders gemacht. Und so hat sich Karla Aßmann bei der Ausbildung zur Industriekauffrau bewusst für ein anderes Meller Unternehmen entschieden. „Ich glaube, dass das wichtig ist, um einen anderen Blick auf die Dinge zu bekommen und von verschiedenen Aspekten, positiv wie negativ, zu lernen.“ Gleichzeitig, glaubt sie, würde der eine oder andere Mitarbeitende etwas zurückhaltender sein, wenn man direkt als Unternehmertochter ins Unternehmen käme. „Ich würde vermutlich genauso reagieren“, sagt sie und lacht. 2017 aber kam sie dann mit abgeschlossener Ausbildung ins Unternehmen und begann ein Trainee Programm. Parallel dazu absolvierte sie an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie in Osnabrück ein Studium zur Betriebswirtin. Während des Trainee-Programms hat sie sich alle Arbeitsbereiche im Familienunternehmen angeschaut und für sich geprüft, ob sie sich die Arbeit im Unternehmen zukünftig überhaupt vorstellen kann. Sie habe sämtliche Mitarbeitende kennengelernt und überall mitgearbeitet, erzählt sie. „Ich wollte ja ganz tief in die Prozesse reinblicken.“ Und für das 80. Firmenjubiläum setzte sie sich mehrere Tage ins Archiv des Meller Kreisblattes und durchblätterte unzählige Zeitungsseiten auf der Suche nach alten Werbeanzeigen und Artikeln rund um das Unternehmen. Ebenfalls während der Zeit ihres Trainee-Programms wurde der Vertriebsbereich ausgebaut. Neben der reinen Produktpalette hat sich das Assmann-Team verstärkt auch mit weiteren Dienstleistungen auseinandergesetzt. Im Zuge dieser Entwicklung wurde der Bereich des Workplace Consulting gegründet, für dessen Auf- und Ausbau Karla Aßmann gemeinsam mit ihrer Kollegin Simone Natrup verantwortlich war. Der Hintergrund: Die Anforderungen an moderne Arbeitswelten und die unterschiedlichsten Büroarbeitsmodelle wie dem hybriden Arbeiten im Homeoffice oder im Büro sind spätestens im Zuge der Corona-Pandemie gestiegen. Und so galt und gilt es auch für Assmann, diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen und den Kunden und Fachhandelspartnern bei der Planung verschiedener Arbeitsorganisationsmodelle beratend und planend zur Seite zu stehen. Dass sie in Zukunft die Gesamtverantwortung für das Unternehmen tragen kann und möchte, sei ihr im zweiten Jahr des Trainee Programms klar geworden, eben als sie im Auf- und Ausbau des Workplace Consultings integriert war. Druck, diese Rolle übernehmen zu müssen, habe sie nicht gespürt. „Nein, zu Hause galt immer, dass jeder von uns erst einmal machen kann, was er möchte. Aber natürlich haben sich auch alle gefreut, als diese Entscheidung feststand“, sagt sie. Das schrittweise Heranführen an verantwortungsvolle Aufgaben habe ihr bei der Entscheidungsfindung geholfen. „Am Anfang war ich mir unsicher, weil damit eine riesige Verantwortung einhergeht, aber dadurch, dass ich so langsam reingewachsen bin, habe ich gemerkt, dass das unfassbar viel Spaß machen kann und ich die Aufgaben gerne in der vierten Generation übernehmen möchte.“ Ob es schon immer ihr Traumberuf gewesen sei, kann sie gar nicht richtig beantworten. „Ich habe mal ein Praktikum bei einem Rechtsanwalt gemacht, daher fand ich Rechtsanwaltsgehilfin auch spannend. Aber während der Abi-Zeit war klar, dass ich mir unser Unternehmen zumindest mal angucken werde.“ Gesagt, getan. In Zukunft wird es dann also die Führungsposition sein. Schon jetzt aber, seit Anfang des Jahres und eigentlich schon zuvor mit der Leitung des Workplace Consultings, kleidet Karla Aßmann Führungspositionen aus.
Zum 15. Februar ist die 27-Jährige offiziell in die Geschäftsleitung eingestiegen. In einer Doppelspitze hat sie im Rahmen einiger, auch altersbedingter, Umstrukturierungen mit ihrem Kollegen Michael Vogel die Gesamtverantwortung für den Vertrieb national übernommen. Eine zeitintensive Aufgabe. In ihrer Position wird sie die Bereiche Workplace Consulting, Customer Service sowie die Service und Montage-Dienstleistungen verantworten und weiterentwickeln. „Wir haben eine große Vertriebsmannschaft, sowohl im Innen- als auch im Außendienst. Da muss man alles erst einmal verstehen und sich genau ansehen, welche unterschiedlichen Anforderungen und Aufgaben es gibt. Und letztlich haben wir als Unternehmen das Ziel, 200 Millionen Euro Umsatz bis 2025 zu erwirtschaften. Das heißt: Auch für unseren Bereich gilt es zu schauen, welche Leistungen wir bringen müssen, um das zu erreichen“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin in spe. Als „klassische“ Führungskraft sieht sie sich in dieser Rolle eher weniger. „Oft war es in der Vergangenheit ja so, dass die Person, die sich fachlich am besten auskennt, Führungskraft wurde. Ich verstehe mich eher als eine Art Coachin, die Leitplanken vorgibt, in denen sich die Mitarbeitenden frei bewegen und sich entfalten sollen“, erklärt Aßmann. Dafür sei gegenseitiges Vertrauen wichtig. Dass sie dann irgendwann auch die Rolle des Vaters übernimmt, mache ihr keine Angst, sagt sie. „Ein gesundes Maß an Respekt habe ich, ja! Das ist schon eine große Verantwortung, aber ich weiß, dass mich hier ganz viele Menschen im Hintergrund mit gutem Fachwissen unterstützen, und auch das positive Feedback von Kollegen stärkt mich.“ Zudem nimmt sie schon seit Ende ihres Trainee Programms 2019 an strategischen Meetings teil und ihr Vater übergebe ihr bestimmte Themen oder sie besprechen Dinge gemeinsam, sagt sie. Karla Aßmann fühlt sich jedenfalls gut vorbereitet auf alles, was kommt. Der Rückhalt aus Mitarbeiterschaft und Familie scheint ihr sicher. Auch aus ihrer eigenen kleinen, zu der ihr Mann und ein anderthalbjähriges Kind gehören. „Das bedarf Teamwork“, sagt sie in der Rolle der Mutter – und eines Vorbilds. Das zumindest möchte sie für andere Frauen sein. „Ich glaube, dass das ,normale’ Rollenbild etwas aufbricht und wünsche mir, dass ich in dieser Hinsicht vielleicht als ein gutes Beispiel vorangehen kann.“
Artikel mit freundlicher Genehmigung von: DIE WIRTSCHAFT / Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Danke an Autor Magnus Horn (NOW-Medien)